Moser Maria, geb. Viertlbauer

Geboren: am 13. November 1906 in Braunau, Oberösterreich, Österreich
Gestorben: am 14. September 1973
Verheiratet: ab 1927 mit Alois Moser, geb. 17. Juli 1900, gest. 31. Oktober 1995
Eltern: Michael und Maria Viertlbauer aus Braunau

Maria Moser wurde am 13. November 1906 in Braunau geboren. Ihre Eltern Michael und Maria Viertlbauer waren Lebensmittelhändler in Braunau. 1927 heiratete sie den Postbeamten Alois Moser in Salzburg, wo sie ihn auch kennengelernt hat. Nach einigen Jahren übersiedelte das Ehepaar nach Braunau. Maria Moser blieb kinderlos.

Ihr Mann kam 1927 – im Jahr ihrer Eheschließung – als eifriger und strenggläubiger Katholik durch Bibelforscher erstmalig in den Besitz einer Luther-Bibel, die seinen religiösen Wissensdurst stillte. Die gutbürgerlich aufgewachsene Maria hatte mehr das Häusliche im Sinn als sich mit den immer stärker werdenden Ambitionen ihres Mannes, regelmäßig Zusammenkünfte der Bibelforscher zu besuchen, anzufreunden. Einerseits durch ihre Neugierde am Inhalt der Vorträge andererseits durch ihre wachsende Sorge bezüglich der immer unruhevoller werdenden Weltverhältnisse motiviert, begann sie ihren Mann zu den Zusammenkünften der Bibelforscher in Salzburg zu begleiten. Kurz darauf begann sie bereits von Haus zu Haus religiöse Broschüren zu verbreiten und mit anderen über ihre neu gewonnenen Erkenntnisse zu sprechen. Dabei legte sie mit ihrem Mann oder auch allein oft hunderte Kilometer mit dem Rad zurück. Manchmal musste sie miterleben, dass ihnen Steine nachgeworfen wurden. Ein Jahr nach ihrem Mann trat sie 1934 aus der römisch katholischen Kirche aus.

[title size=“3″]Ein 6-jähriges Martyrium[/title]

Am 4. April 1939 begann für sie und auch für ihren Mann ein 6jähriges Martyrium. Ein Gestapomann namens Huemer, gab sich als Bibelforscher aus und erschlich sich das Vertrauen verschiedener Zeugen Jehovas. Er kam auch in das Geschäft von Marias Eltern. Schließlich fand er heraus, dass an diesem Abend alle Zeugen Jehovas die sogenannte Abendmahlsfeier zum Gedenken an den Tod Christi feiern. Es kam zu einer Großrazzia in ganz Oberösterreich. Im Schloss Ranshofen begann die kleine Gruppe der Braunauer Zeugen Jehovas gerade mit der Feier, als sieben Gestapomänner die Versammlung stürmten und alle neun Anwesenden verhafteten, darunter befanden sich auch Maria und ihr Mann Alois Moser. Sie wurden auf den Gendarmerieposten zum Verhör gebracht. Auch Maria Moser war nicht bereit, ihrem Glauben abzuschwören. Deswegen wurde sie gemeinsam mit den anderen 8 Glaubensgeschwistern noch in derselben Nacht im offenen LKW, „Überfallsauto“ genannt, ins Polizeigefängnis Linz gebracht. Auf dem Weg dorthin füllte sich das Auto noch mit weiteren verhafteten Zeugen Jehovas.
Bis zum Abtransport von ihrem Mann Alois ins KZ Dachau (20. April 1939) konnte Maria ihn vom fünften Stock des Gefängnisses aus täglich beim Spaziergang wenigstens von der Ferne erblicken. Über die Küche funktionierte sogar ein reger Briefverkehr. Die stärkenden Gedanken ihres Mannes teilte sie mit ihren Mitgefangenen. Ein einziges Mal gewährte eine Wärterin, dass sich Maria mit ihrem Mann treffen konnte. Ansonsten gab es mehrere Verhöre und immer wieder Versuche, sie zum Abschwören ihres Glaubens zu bringen.

[title size=“3″]Einlieferung ins KZ Ravensbrück[/title]

Am 12. Juni 1939 begann der Leidensweg auch für Maria. Sie wurde mit den anderen Zeuginnen Jehovas ins KZ Ravensbrück transportiert. Maria wird zur Nummer 1501/502 und im Block 3A untergebracht.
Als Maria am 19.6.1939 in Ravensbrück ankam, musste sie miterleben, wie der Lagerdirektor Kögel gerade dabei war, die über 400 Bibelforscherinnen unter Druck zu setzen. Er las einen Brief vor, den angeblich eine Zeugin Jehovas geschrieben haben soll. „Sie habe jetzt den richtigen Weg erkannt und wolle sich nun für dieses System voll und ganz betätigen.“ Es ermutigte Maria Moser sehr, mitzuerleben, wie alle Glaubensgeschwister standhaft blieben. Außerdem stärkte sie das Zusammenleben mit vielen langjährigen Glaubensschwestern in einer Baracke.

Maria wurde bereits am nächsten Tag beim Aufbau des Lagers eingesetzt. Sie musste von früh bis spät mit einer Karre Sand fahren und nachdem Schienen gelegt sind die Lore schieben.

[title size=“3″]Vor die Wahl gestellt[/title]

Am 18. Dezember 1939 erlebte Maria Moser die bis dahin schlimmste Machtdemonstration der KZ-Lagerleitung. Maria und ihre etwa 450 Glaubensschwestern wurden aus ihren Arbeitsbetrieben herausgeholt und vor die Wahl gestellt, Kriegsmaterial (Nähen von Patronentaschen) zu fertigen oder nicht. Als sich alle geschlossen weigerten, wurden sie von dem wutentbrannten Lagerdirektor Kögel in den erst halbfertigen Arrest (Zellenbau) gesteckt.

Maria Moser beschrieb diese Begebenheit in ihrem Erinnerungsbericht aus dem Jahr 1946 sehr ausführlich:
„Der Direktor wurde wütend und bezeichnete uns als die ärgsten Staatsfeinde. Sein Befehl lautete: ‚Hinein mit euch in den Arrest, dort könnt ihr verrecken bis euch euer Jehova herausholt.‘ … Und so standen wir ohne Mittagessen in Kleidern mit kurzen Ärmeln bei viel Schnee und großer Kälte bis 6 Uhr abends im Vorhof des Zellenbauses unter freiem Himmel.“
In der Nacht wurden sie zu zwölft in Zellen gesperrt, die normalerweise für 1-2 Häftlinge gedacht sind. Am nächsten Tag mussten sie wieder ins Freie und den ganzen Tag bei eisiger Kälte stehen. Das wiederholte sich 6 Tage. Während der drei Weihnachtsfeiertage „vergaß“ man auf die Zeuginnen Jehovas, sie bekommen weder Essen noch Trinken. Danach ging die gleiche Bestrafung bis über die Neujahrsfeiertage hinaus. Dennoch blieben alle 450 Bibelforscherinnen standhaft:
„Wir bewiesen ihnen, … dass wir durch seine (Gottes) Kraft dieses aushalten konnten und sangen zur Ehre Jehovas und zu seinem Ruhme Lieder, dass es durch das ganze Gefängnis hallte.“

Maria Moser erinnerte sich, dass Anfang Jänner 1940 plötzlich Himmler im Zellenbau zusammen mit der Oberaufseherin Langenfeld und Direktor Kögel erschien und die Bibelforscherinnen als „Staatsfeinde Nr. 1“ bezeichnet hat. Nach etwa drei Wochen öffneten sich für Maria und ihre Glaubensschwestern die Türen des Zellenbaus und sie wurden zurück in die innen vereisten Baracken gebracht. Bis März 1940 wurden noch besondere Strafblockverfügungen verhängt. Sie magerten bis auf das Skelett ab.

[title size=“3″]Überstellung nach Auschwitz[/title]

Maria Moser gehörte schließlich zu jenen etwa 50 Zeuginnen Jehovas, die am 21. Juli 1942 nach Auschwitz überstellt wurden. Die Oberaufseherin Langenfeld, die von Ravensbrück nach Auschwitz versetzt wurde, veranlasste, dass die Bibelforscherinnen – inzwischen begehrte und zuverlässige Arbeitskräfte – vor allem als Dienstbotinnen der SS zur Verfügung stehen müssen.
Maria erkannte sofort, dass sie in Auschwitz mit dem Schlimmsten rechnen müsste, als sie sah, wie jüdische Frauen in die Gaskammern transportiert wurden.
„Mein erster Gedanke war, dass uns aus dieser Lage die Hand Jehovas herausführen musste, da ein anderes Herauskommen unmöglich gewesen wäre.“ (Erinnerungsbericht)

Maria wurde zunächst als Anweiserin über die Waschküche des Stabsgebäudes und nach einigen Monaten als Blockälteste über 300 Häftlinge eingesetzt. Nach 14 Monaten wurde sie von dieser Position abgesetzt, weil sie zu wenig streng zu den Häftlingen gewesen war und wurde schließlich Haushälterin beim Obersturmführer Müller. Schließlich rang sie mit dem Tod aufgrund eines Flecktyphus. Noch sehr geschwächt wurde sie als Verkäuferin im Lebensmittelgeschäft im Haus 7 eingesetzt. Am 29. September 1944 bekam Maria einen Lichtbild-Ausweis ausgestellt: „Dem IBV-Häftl. Nr. 8321 Moser Maria, geb. 13.11.06 ist es gestattet, das Haus 7 zum Einkauf zu betreten und kann ohne Begleitung die Postenkette passieren. Dem Häftling ist es bei Strafe streng verboten, gegenseitige Besuche und Spaziergänge zu machen. Der Häftling ist bei Führerbaracke II beschäftigt.“

Ihre dort ebenfalls arbeitenden Glaubensschwestern halfen ihr wieder zu Kräften zu kommen. Durch eine Verleumdung eines Mithäftlings, der sie des Diebstahls von Gemüse bezichtigte, erhielt sie zur Strafe 14 Tage Bunker und den Verlust ihrer Arbeit. Schließlich wurde sie Hauptsturmbandführer Schemmel zugeteilt, wo ihr der Kontakt zu Zivilpersonen möglich war. Maria nützte diese Gelegenheiten immer wieder mutig über ihre Überzeugung zu sprechen.
Als absoluten und unerwarteten Höhepunkt erlebte Maria den Besuch ihrer Mutter im Lager Auschwitz. Eine verständnisvolle Frau mit besten Verbindungen zu SS-Offizieren schleuste ihre Mutter ins Lager Auschwitz ein und versteckte sie vier Tage in einem freien SS-Barackenzimmer, wo sie sich mit Maria treffen konnte. In der Annahme einen hochrangingen SS-Mann zu bekochen, erhielt Marias Mutter bestes Essen. Dieses Zusammentreffen betrachtete Maria als besondere Hilfe ihres Gottes.

Am 18. Jänner 1945 begann nach 3 1/2 Jahren Auschwitz der leidvolle Evakuierungstransport. Maria Moser marschierte zusammen mit vielen anderen Häftlingen unter dezimierter SS-Bewachung nach Großrosen, dann durch Thüringen nach Mauthausen und über Nürnberg in das Lager Bergen-Belsen. Am 5. März 1945 wurde sie in Mittelbau-Dora registriert.
Dort wurde sie zusammen mit 25 weiteren Glaubensschwestern vom Kommandanten Beer ausgesondert und 4 Wochen als Dienstbotin der SS eingesetzt. Schließlich wurde der Häftlingstrupp weiter in Richtung Neuengamme getrieben, aber am 5. April 1945 waren die Zeuginnen Jehovas plötzlich sich selbst überlassen. Maria löste sich von den Glaubensschwestern und wanderte allein weiter. Da jede Bahnverbindung abgeschnitten war, musste sie in Braunschweig 5 Monate bei einer Bauernfamilie bleiben, die sie wie eine eigene Tochter pflegten.
Am 25. September 1945 kam Maria Moser zu Hause an und war endlich mit ihrem Mann Alois, von dem sie 6 Jahre lang getrennt gewesen war und nie etwas erfahren hatte, wieder zusammen. Alois überlebte ebenfalls 6 Jahre Konzentrationslager.

[title size=“3″]Siegerin über das NS-Regime[/title]

Maria Moser war in ihrem Glauben ungebrochen und fühlte sich als Siegerin über das NS-Regime, motiviert auch in ihrem weiteren Leben „zur Ehre, zum Ruhme, Dank und Lobe Jehovas“ beizutragen. Sie lebte bis zu ihrem Tod am 14. September 1973 zusammen mit ihrem Mann Alois in der Berggasse 22 in Braunau. Ihr Mann Alois trug bis zu seinem Tod im Jahr 1995 unermüdlich dazu bei, seine Geschichte und die seiner Frau bekannt zu machen.

Lebensbericht Alois Moser

BERICHT ÜBER MARIA MOSER IN DER NEUEN AUSSTELLUNG IM KZ AUSCHWITZ – Eröffnung 4.10.2021

Abschrift des Erinnerung Berichts von Maria Moser: die Rechtschreibung wurde
zwecks Lesbarkeit korrigiert und fettgedruckte Formulierungen wurden zwecks
Lesbarkeit geringfügig verändert.
Maria Moser
Braunau, den 30.5.1946
Kurze Schilderung über meinen Lebenslauf von 4.4.1939 bis 25.9.1945
Der Grund meiner Verhaftung war, weil ich als Zeugin Jehovas die Gesetze unseres
höchsten Schöpfers höherstellte als die des Menschen.
Es nahte unser Gedächtnismahl heran und zwar am 4.4.1939. Wir freuten uns an
diesem Feste wieder teilzuhaben, und so bereiteten wir alles vor. Doch es kam
anders, weil die Ränkeschmiede Satans schon den ganzen Tag auf uns lauerten wie
der Wolf auf die Schafe um sie zu zerreißen. Wir gingen um 1/8 8 Uhr abends von zu
Hause fort in einen Nebenort von Braunau. Auf unserem Wege merkten wir schon,
dass wir unter Kontrolle stehen und dass wir umlauert sind. Wir gingen festen
Schrittes weiter bis wir am Ziel waren. Wir gingen rückwärts bei einen Gartentürl
hinein und vorne bei dem großen Tor wartete schon die Gestapo auf uns. Wir haben
mit der Feier begonnen, mein Mann sprach das Gebet, als es heftig an der Tür
pochte mit dem Rufe: „Aufmachen!“. Als wir öffneten kamen 7 von den
Gestapomännern herein mit dem Ausrufe: „Sie sind verhaftet!“. Wir wussten, dass
unsere Stunde gekommen ist, wo der Leidensweg Gethsemane (d. h. zu leiden für
die Sache Jehovas) begann. Mein Mann reichte mir noch die Hand und sagte: „Mizzl
sei stark, die Stunde ist gekommen.“. Sie nahmen uns alle ins Verhör machten
Leibesvisitationen und nahmen uns alle mit zum Gendarmerieposten Braunau.
Nach dem Aufnehmen unserer Taten ging an uns die Frage: „Bleiben sie weiterhin
Zeuge für Jehova, es gibt nur ein Ja oder Nein.“. Jetzt wusste ein jeder wie er zu
handeln hat nach der Erkenntnis und was er in den Jahren aus den Worten Jehovas
gelernt hat. Von den 9 Verhafteten, gab ein jeder die gleiche Antwort: „Ja wir
bleiben weiter das, was wir sind.“. Wir fuhren um 11 Uhr nachts mit dem
Gestapoauto weiter nach Linz wo auf dem Wege noch immer welche dazu kamen.
Denn die Razzia wurde in ganz Österreich abgehalten. Sie haben ganz nach dem
Plan des Teufels gearbeitet. Ein Beispiel: Es kam vor unserer Verhaftung ein Mann in
das Geschäft und gab sich als ein Reisender und zugleich als ein Bruder aus,
bestellte uns von verschiedenen Glaubensgeschwistern Grüße und fragte uns um
verschiedenes aus. Er lies uns sogar einen Schilling hier den wir einen Bruder geben
sollten der im Braunauer Gefängnis saß. Später in Linz bei der Vernehmung stellte
sich heraus, dass der angebliche Bruder ein Gestapomann war unter Namen
Huemer. Um 4 Uhr früh kamen wir in Linz bei dem Polizeigefängnis an. Die Fahrt war
sehr kalt, weil es noch Schnee hatte und unser Auto mit dem die uns fuhren war auf
beiden Seiten offen. In Linz wurde uns dann alles abgenommen, und ich wurde dann
von meinem Mann getrennt.
So vergingen ein bis zwei Tage, dann wurden wir beide, mein Mann und ich zum
Verhör gebracht, wo sie unbedingt wissen wollten, wer noch bei uns ist, warum wir
den Heil-Hitler Gruß verweigern, an dem Kriege uns nicht beteiligen, ihnen nicht bei
dem Aufbau helfen usw. Die Antwort auf all diese Fragen erfolgte nur biblisch, und
man konnte sie wunderbar mit dem Worte Gottes schlagen, dass wir den Menschen
kein Heil zurufen, sondern nur durch Jehova Gott und Christus Jesus Heil kommt.
Durch unsere Antworten wurden sie zornig und es wurde uns mit dem Lager gedroht.
Wir verblieben dort einige Wochen, wo sie immer versuchten, uns mit der Unterschrift
kleinzukriegen. Noch einige Tage bevor ich ins Lager abging, kam noch der Erste
von der Gestapo und redete auf mich ein, ich solle doch unterschreiben, damit ich
nicht in das Lager brauche mein Mann war schon 2 Wochen fort von Linz nach
Dachau, so sollte wenigstens ich nach Hause. Ich könne mir ja denken, was ich will,
das war die List des Teufels. Die Aufseherin, die wir hatten, bekam viel Zeugnis von
uns und das gab ihnen zu denken. Bei den Spaziergängen am Abend überall
konnten wir etwas beitragen zur Verherrlichung des Namens Jehovas.
Am 12. Juni ging es fort mit uns nach dem in das Lager Ravensbrück. Wir konnten
auf dem Wege und überall sehen, dass es der Satansorganisation viel darum zu tun
war, uns zur Unterschrift zu bringen. Bei dem Transport und wo wir ankamen,
mussten sie überall sehen, dass ein Volk hier ist, dass unter den widrigsten
Umständen den Menschen kein Heil zurufen. Während des Transportes holte sie uns
aus dem Abteil heraus, um uns über ihren Nationalsozialismus zu überzeugen, wo
sie natürlich treffende Antworten laut der Bibel bekamen. Als wir in Chemnitz
ankamen und bei unserer Aufnahme erfuhren, dass wir aus Braunau sind (aus der
Geburtsstadt des Führers), da konnten sie sich nicht genug wundern, dass auch dort
solche Menschen sind, die nach dem Gesetz Gottes wandeln und sich nicht in dieser
Hinsicht den weltlichen obrigkeitlichen Gewalten unterstellen.
In Ravensbrück angekommen, wussten wir beim ersten Anblick, was los war. Der
Lagerdirektor Kögl stand mitten auf dem Appellplatz und versammelte sämtliche
Bibelforscher. Wir standen abseits und hörten voll Schrecken die Worte des
Direktors. Seine Veranlassung, dass er alle Bibelforscher versammeln ließ, war
ein Brief, der angeblich von einer Schwester an die Lagerverwaltung
geschrieben worden ist, die zur Unterschrift gezwungen wurde. Der Inhalt des
Briefes lautete: „Die Schwester wäre froh, erkannt zu haben, dass sie den richtigen
Weg erkannte und sich weiterhin für dieses System betätigen will“. Nun glaubte Herr
Lagerdirektor diesen Brief als Beweismittel vorzulesen, um andere damit schwach zu
machen. Er deutete darauf hin, dass diese zur Vernunft gekommen ist und hofft von
uns in kurzer Zeit dasselbe. Die Schwestern im Allgemeinen wussten, dass dieser
Brief nicht von ihr geschrieben war. Unser Eintreffen im Lager war am 19.6.1939. Wir
freuten uns sehr als wir am Abend in die Baracke kamen und alle Plätze mit
Bibelforscherinnen besetzt waren. (Wir wurden verhaftet, weil wir Gleichgesinnte sich
versammelten und die Feinde mussten uns wieder dorthin bringen, wo wiederum
Gleichgesinnte in größerer Anzahl (300) versammelt waren.).
Am 20.6.1939 um 4 Uhr früh war es zum Aufstehen und um 6 Uhr früh ging es zum
Tor hinaus zur Arbeit, welche in verschiedenen Gruppen eingeteilt war. Die einen
zum Schweinefüttern, zur Hühnerfarm, zu einem Gut, zur Waschküche, in die
Nähstube, Küche, Personalbau, zu den Aufseherinnen, Aufräumungsarbeiten in den
SS-Baracken, Binsenkommando, Ausschachtungsarbeiten von Bäumen,
Baumstämme wegtragen, Baumwurzeln ausziehen, Tiefbauten; bei diesen schweren
Arbeiten wurde nicht gefragt, ob diese oder jene es leisten konnten oder nicht. Stand
jemand eine Zeit lang still, um sich Kraft zu holen, und eine Aufseherin oder der
Direktor bemerkte das durch sein Fernrohr von seiner Villa aus, so wurde von
der Betreffenden die Häftlingsnummer aufgeschrieben und sie kam in den Strafblock.
Meine Arbeit war von früh morgens bis zum Abend mit der Karre Sand führen bis
zum See. Später legten wir uns Schienen und wir fuhren Lore. Das Lager war erst im
Aufbau. Der Urzustand war Wald. Junge Aufseherinnen von 17-20 Jahren scheuten
sich nicht zurück auf alte Frauen von 50-70 Jahren einzuschlagen. Die
Witterungsverhältnisse, ob glühende Sonne oder den ganzen Tag Regen oder
furchtbare Kälte von -36 °C durften wir nicht einrücken außer wir waren bis auf die
Haut nass. Und kamen wir in den Block ganz durchnässt, so gab es keine frischen
Kleider, sondern die Wäsche musste am eigenen Körper trocknen und die Schuhe
am nächsten Tag nass angezogen werden.
1939 war ein großer Generalangriff Satans auf Gottes Volk. Am 18.12.1939 um 11
Uhr mittags wurden wir Zeugen Jehovas alle aus den Betrieben herausgeholt und
mussten uns auf den Appellplatz aufstellen. Wir wussten nicht um was es sich
handelte. Es waren 450 Glaubensgenossen. Der Direktor erschien mit den Worten:
„Es wäre etwas zu arbeiten für Militärzwecke. Die dazu beitragen, etwas für diesen
Dienst zu tun und mithelfen bei dem Aufbau, stellen sich auf die rechte Seite, alle
anderen die dagegen sind stellen sich auf die linke Seite.“. Ein kurzes Gebet um
Kraft und Stärke, und dann wurde gehandelt. Nun musste ein jeder sofort Stellung
nehmen, für oder gegen die rechte Sache. Wie mit einem Schlag gingen alle 450 auf
die linke Seite. Der Direktor wurde wütend und bezeichnete uns als die ärgsten
Staatsfeinde. Sein Befehl lautete: „Hinein mit Euch in den Arrest (Zellenbau), dort
könnt ihr verrecken, bis euch euer „Jehova“ herausholt.“. Der Arrest war noch nicht
ganz fertig, die Zivilmauerer mussten die Arbeit einstellen. Die Mauern waren noch
ganz feucht. Und so standen wir ohne Mittagessen in Kleidern mit kurzen Ärmeln bei
viel Schnee und großer Kälte bis 6 Uhr abends im Vorhofe des Zellenbaues unter
freien Himmel. Wir mussten mit den Füßen die ganze Zeit trippeln, wenn wir nicht bis
abends unsere Füße erfroren haben wollen.
Abends um 6 Uhr kamen wir in die Zellen. Da wir so viele waren (450), so kam auf
eine Zelle 12 Stück (die sonst für 1-2 Häftlinge bestimmt waren). Es wurde uns alles
in der Zelle entzogen. Die Heizung, das Bett, keine Decken, alle Jacken, die noch
welche hatten, wurden uns weggenommen, die leeren Aluminium-Schüsseln dienten
uns zur Erhöhung der Kopfunterlagen, die Unterröcke wurden ausgezogen, damit die
Füße bei nachts zugedeckt waren, anstatt dem Abendessen gab uns die
Oberaufseherin „Zimmer“ noch tüchtige Schimpfworte mit dem Bemerken, wir
werden sehen, was wir noch erleben! Nun ist es nachts und still geworden und wir
freuten uns, dass wir den Satan so richtig getrotzt haben und etwas beitragen durften
zur Ehre Jehovas. Um 8 Uhr früh erscholl es: „Heraus aus den Zellen ihr
arbeitsscheues Volk!“. Und so mussten wir uns wieder in den Vorhof begeben und
den ganzen Tag stehend im Schnee zu verbringen. Es ging uns schlimmer als dem
Vieh betreffs der Notdurft. Vom Platze durften wir uns nicht rühren; und konnten wir
es nicht mehr aushalten, so mussten wir die Zeit benützen, wo die Aufseherin von
uns weg war und eine Schwester musste sich vor uns stellen, um nicht gesehen zu
werden, um das was die Natur verlange, nicht gesehen zu werden. Die Aufseherin
haben sich abgewechselt, weil es denen zu kalt war. Dies geschah jede zweite
Stunde. Mittags gingen wir auf eine Stunde in die Zelle um unser Mittagsmahl
einzunehmen welches aus ein paar kl. Kartoffeln und aus einem kleinen Schöpfer
Gemüse bestand.
Dies wiederholte sich, bis den Heiden ihr Weihnachtsfest kam. Diesen drei
Weihnachtstagen war keine Aufsicht hier, infolgedessen mussten wir in den Zellen
verbleiben, ohne dass jemand nach uns gesehen hätte oder uns jemand etwas zu
essen gebracht hätte. Die Hauptsache war, dass sie uns unter Schloss und Riegel
hatten. Das Essen, das uns zugestanden hätte, wurde anderwärtig verschoben, mit
dem bemerk, die Bibelforscher hätten es abgelehnt! Nach den 3 Feiertagen ging es
wieder hinaus in den Schnee. Wir standen wieder alle Tage bis zum neuen Jahr. An
diesen Feiertagen wiederholte es sich so wie an den Weihnachtsfeiertagen. Der
Direktor wollte unbedingt seine Worte wahr machen, dass wir verrecken sollten, doch
Gottesbestimmung war anders vorgesehen. Wir konnten von unserem „Spion“ aus
sehen, wie die Aufseherinnen auf und ab gingen und beobachten wollten, was wir
machten nach so langer Hungerperiode. Wir bewiesen ihnen, nachdem wir den Geist
Gottes walten ließen, dass wir durch seine Kraft dieses aushalten konnten und
sangen zur Ehre Jehovas und zu seinem Ruhme Lieder, dass es durch das ganze
Gefängnis hallte.
Einige Tage später erschien im Zellenbau „Himmler“ aus Berlin und mit noch einigen
Herren. Er ließ sich von Oberaufseherin Langenfeld und mit Direktor Kögl eine Zelle
mit Bibelforscher öffnen mit den Worten: „Ihr habt die Arbeit verweigert“ oder besser
gesagt „Ihr wollt nicht arbeiten!“. Wobei er uns als Staatsfeind Nr. I. bezeichnete.
Eine jüngere Schwester gab ihm biblische Antworten zurück, dass wir gekommen
sind jegliche Arbeit zu machen und sei sie noch so schwer, aber Arbeiten die dem
Militär und für Kriegszwecke zugutekommen sollten, verweigern wir grundsätzlich, da
wir es mit unserem Gewissen nicht vereinbaren können. Himmler sagte, ob wir nicht
wüssten, dass hier die Todesstrafe darauf ruht? „Wir haben uns bis in den Tod
Christi geweiht.“ Die Militärarbeit bestand aus Militärtäschchen für Munition,
Waffenausladen von Lastenautos, Fahnenausbessern und weil eine Schwester
verweigerte die Fahne in den anderen Block zu tragen, bekam sie ein Jahr
„Strafblock“. Und so mussten wir abwarten was über uns nun kommen sollte.
Einige Tage, als Himmler nun fort war, hieß es (ich glaube es war der 9. oder 10.
Jänner 1940) um 6 Uhr abends: „Heraus aus den Zellen!“. Wir taumelten ganz
schwach und elend die Lagerstraße entlang, bis wir zu unseren Blocks kamen, wo
wir voll staunen sahen, dass die „Eiszapfen“ fast bis auf den Boden herunter hangen.
Wir bekamen noch vorher, bevor wir den Block betraten von der Aufseherin eine
Moralpredigt über unser Handeln. Die politische Blockälteste „Knoll Käthi“ wies uns
darauf hin, dass wir nicht einmal Anrecht auf ein Bett hätten! Als wir in den Block
kamen, gaben wir uns in den Illusionen hin, es wäre geheizt. Da haben wir von
unseren Feinden zugut gedacht. Die Wände glitzerten wie „Eispalast“ und ohne
warmes Essen ins Bett. Wir wurden von der Aufseherin, die Nachtwache hatte
gewarnt, sich nicht zu unterstehen, die Hose oder den Unterrock anzubehalten. Das
musste ordentlich auf den Schemel gelegt sein.
Nachträglich erfuhren wir, dass die „B.V.“ (d.h. Berufsverbrecherin) und Häftling
Kaiser, die die Aufgabe hatte das Essen auszuteilen im Zellenbau, hat ohne, dass
wir es wussten uns das Essen entzogen und in die Küche zurückgeschafft mit dem
bemerken „Die Bibelforscher verweigern das Essen!“. Als wir noch im Arrest waren,
hat sie die Strafe Gottes schon ereilt. Sie wurde wegen ihrem kriminellen Fall ins
Verhör gezogen, verwickelte sich derart mit Lügen und bekam 25 Stockhiebe und
alle weiteren 2 Monate 25 Stockhiebe bis sie starb. Das war ihre Strafe für ihr
ungerechtes Handeln mit den „Zeugen Jehovas“. Die Blockälteste und Häftling
„Knoll“, welche die Aufsicht hatte über die Bibelforscherinnen, hat sich in
verschiedener Art und Weise gezeigt, uns das Leben schwer zu machen, und durch
Schikanen, welche sie aufgestellt hatte und durch die Aufseherinnen unterstützt
wurden, sind wir manchen ungerechten Strafen nicht entgangen. Auch ihr Tun wurde
bestraft, als sie uns wieder gerade schikanieren wollte, wurde sie von einer
Aufseherin geholt und für den Strafblock bestimmt.
Weitere Strafen für uns dauerten noch fort. Und zwar mussten wir 3 Monate für jede
schwere Arbeit aufkommen. Wo andere Häftlinge an Sonntagen frei hatten, hieß es:
„Bibelforscher heraus zum Schneeschippen“! Weiter hatten wir „Einkauf- und
Schreibverbot“ und auch Kürzung unserer Briefzeilen und noch strengere
Briefzensur. Einige Monate später mussten sie uns wieder in die alten Stellungen
einsetzen, weil sie einsehen mussten, dass auf die anderen Häftlinge kein Verlassen
war hinsichtlich der Arbeit noch der Ehrlichkeit. Und so sahen wir wieder, wie Jehova
unser Gott sein Volk für ihre Standhaftigkeit belohnte.
Ein kleiner Auszug für diejenigen, die es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren
konnten, das Lager mitaufzubauen und auch für richtig fanden, nicht Zählappell zu
stehen und bei dem Ruf: „Achtung“! (wenn auch höhere Herren auf Besuch kamen)
keine Ehrenbezeugung leisteten, wurden grausam misshandelt. Sie wurden von uns
getrennt und in einen Sonderblock gebracht. Dort wurden im Winter sämtliche
Fenster ausgehängt, die Betten herausgenommen, die Jacken weggenommen und
nur einmaliges Essen im Tage verabreicht bei schwerer Arbeit. Dadurch, dass sie
auch das Symbol von der Briefmarke des Hitlerkopfes verwarfen lehnten sie auch
jedes Schreiben in die Freiheit ab und verweigerten auch die Briefe von ihren
Angehörigen. Zum Zählappell wurden sie täglich zweimal hinausgeschleift, von den
Hunden gezehrt oder umhergerissen mit den Stiefeln von den Aufseherinnen
gestoßen, mit Wasser übergossen und sich darüber lustig gemacht, weil wahre
Christen es für gut fanden, diesen Dämonenkult mitzumachen. Diese
Schwerheimgesuchten wahren Christen, zählten bei über 50-70. Frauen, die um
ihres Glaubens- und Gewissenswillen schwer leiden mussten. Jede einzelne Frau
von den 50-70 bekamen außerdem noch 25 Stockhiebe. Und so mussten sie ganz
verschiedenartig ihr Leben lassen. Einige gingen mit dem schwarzen Transport per
Auto nach einem unbestimmten Ort weg, wo nach einigen Wochen ihre Wäsche und
Habseligkeiten zurückkamen; und so konnte man wissen, dass sie gewaltsam ums
Leben kamen. Einige von diesen wurden ausgesucht für den Transport nach
Auschwitz-Birkenau, wo sie weiterhin unter dem schwersten Druck standen, und so
sind viele von denen eines gewaltsamen Todes gestorben, durch schwere
Misshandlungen.
Ging ein Häftling (Zeuge Jehovas) in das Revier wegen eines schweren
Krankheitsfalls, so wurde sofort nach dem Winkel umgesehen; war er „lila“ (d.h.
Bibelforscher) dann wurden sie in den meisten Fällen abgewiesen. Hat man bei sich
selbst einen Zettel getragen mit einem „Bibelvers“ und er wurde bei einer Schrank-,
Bett- oder Leibkontrolle vorgefunden, so war es für die betreffende schlimm, weil alle
für eine Leiden mussten. Die Folgen waren Schläge, Kostentzug – auf mehrere
Monate – Strafblock; eins bis 3 Stunden Strafarbeit nach Arbeitsschluss und
dergleichen mehr. Als der Teufel mit seinen Dämonen und mit den Werkzeugen der
Schriftgelehrten, Pharisäern und mit seinen hohen Priestern den Herrn Jesus an das
Kreuz brachten, glaubten sie einen Triumph feiern zu können, weil sie ihren Gegner
„Christus Jesus“ erledigt hätten. Und siehe da, nach 3 Tagen rechtfertigte sein Vater
seinen hohen und erhabenen Namen, indem er seinen viel geliebten Sohn Gottes
aus dem Grabe auferweckte. Und so wird auch eines Tages Jehova sein Volk zur
Auferstehung des Lebens hervorbringen lassen, und der große Gott wird
triumphieren.
Es kam öfter vor, dass andere Häftlinge die Flucht ergriffen, so musste das ganze
Lager solange stehen (ganz gleich welcher Witterung wir dann ausgesetzt waren),
bis die Betreffende – von Hunden gehetzt – eingeholt wurde. Und da kam es
manchmal vor, dass wir Tag und Nacht unter freien Himmel stehen mussten. In
einem solchen Fall gab es nichts zu essen. Eine Schwester war 1 ½ Jahre Einzelhaft
im Zellenbau, weil sie nicht an dem Aufbau des Lagers teilnahm. Sie war unter
furchtbarer Schikane ausgesetzt. Man ließ sie abmagern bis aufs Skelett, ließ sie
unter Wasser stehen, man schnitt ihre Haare ab, beraubte sie des Lagers, das ihr
zum Schlafen diente, und wurde sodann ausgesucht für den Transport nach
Auschwitz und dort kam sie ins Führerheim zu Aufräumungsarbeiten und erholte sich
wieder. Oberaufseherin Langenfeld wurde von Ravensbrück nach Auschwitz versetzt
und forderte an, dass Bibelforscherinnen nach Auschwitz kamen, weil sie dieselben
als arbeitswilliges und ehrliches Volk kannte. Und somit kamen Ärzte von Auschwitz
nach Ravensbrück und suchten Häftlinge für den Transport aus. Es waren bei 2000
Frauen, davon 50 Bibelforscherinnen.
Der Transport mit mir ging am 21.7.1942 per Bahn nach Auschwitz ab. Nach 3-
tägiger Fahrt in Auschwitz wurden wir von der Oberaufseherin Langenfeld
empfangen. Der Anblick des neuen Lagers war entsetzlich. Unsauberkeit herrsche
überall. Des Nachts konnten wir nichts schlafen vor lauter Flöhe und am Morgen war
unser ganzer Körper zerstochen. Bei unserem ersten Anblick in diesem Lager
wussten wir, was hier los war. Als wir einmarschierten in das Lager stand ein großes
Lastenauto vor uns angefüllt mit lauter nackten Männerhäftlingen. Die SS-Männer
brachten die kranken und arbeitsunfähigen Männer aus den Baracken heraus und
warfen sie Hals über Kopf in das Auto. Jüdische Frauen baten um ihr Leben mit dem
Versprechen, sie könnten noch arbeiten, doch half kein bitten noch weinen und fort
ging es mit der Himmelfahrtkolone oder wie man sie auch nannte in die
Gaskammern. Ich selbst war an diesem Abend kreideweiß, als ich das Bild sah. Mein
erster Gedanke war, dass uns aus dieser Lage die Hand Jehovas herausführen
musste, da ein anderes herauskommen unmöglich gewesen wäre. Es war alles ganz
primitiv eingerichtet und wir mussten uns damit abfinden.
In den nächstfolgenden Tagen wurden wir „Bibelforscherinnen“ zur Arbeit eingeteilt.
Die Arbeitseinteilung lautete, 18 in das deutsche Haus als Büglerinnen,
Wäscherinnen, Küchenarbeiten, andere wiederum wurden in den SS-Familien
verteilt, andere in den Gartenkolonen, 4 in ein großes Lebensmittelgeschäft.
Hauptsächlich die Kommandanten des Lagers haben sich um Bibelforscherinnen
beworben, wie z. B. Kommandant Beer (1), Heß (2), Kramer (1), Hartenstein (4),
Aumeier (1). 3 Baracken waren voll mit Führer und Ärzte die von den Ordinanzen der
SS-Mannschaften bedient wurden, später jedoch einrücken mussten und die Folge
war, dass Bibelforscherinnen angefordert wurden. Warum? Weil wir ohne Aufsicht
uns bewegen durften und weil sie bestimmt wussten, dass wir nie ausreißen würden,
denn das hatten wir nicht nötig, weil wir uns durch die Unterschrift so wie frei machen
konnten, aber das hätte für uns „Kompromiss“ bedeutet und hätten die Gesetze
Gottes verletzt. Sie haben uns in den vielen Jahren unserer Haft zur Genüge
kennengelernt und volles Vertrauen zu uns bekommen, was Ehrlichkeit, Reinlichkeit,
Bereitwilligkeit betrifft, und wussten, dass sie uns überall hinstellen konnten, was mit
der Bibel im Einklang war.
Ein Dorn im Auge war ihnen unser Glaube an Gott, an dem wir festhielten, den sie ja
jederzeit lächerlich machten. Trotz unserer großen Gelegenheiten und Warnungen,
die wir ihnen gegeben hatten, fand man bei ihnen kein hörendes Ohr, bis die Zeit der
Abrechnung von Jehova kam. Gott lässt seiner nicht spotten. Tagtäglich fühlten wir,
wie wir in der Gefahr des Todes standen. Gleichwie Daniel in der Löwengrube von
den reißenden Tieren verschont blieb, so durften auch wir den Schutz Jehovas
verspüren. Wir waren tagtäglich den Launen dieser Menschen ausgesetzt. Doch hielt
sie die Hand Jehovas immer wieder zurück vor manche Anschläge, die auf uns oft
abgezielt waren. Und so durften wir stets mit unserem Auge sehen; wie alles auf
ihren Kopf zurückfällt. Sie haben alles versucht, uns umzustellen und alles daran
gesetzt mit verschiedenen Methoden klein zukriegen, um uns zur Unterschrift zu
zwingen.
Ich wurde am zweiten Tag nach meiner Ankunft in Auschwitz als Anweiserin über die
Waschküchkolonne eingeteilt, wo ich auch dort zur Rechtfertigung des Namens
Jehovas beitragen konnte. Die politischen und jüdischen Häftlingsfrauen freuten sich,
einmal jemand gefunden zu haben, der sie gerecht behandelt und auch beim Essen
verteilen keine Unterschiede machte. Die O.-Aufseherin suchte sich zu dem Zwecke
eine Bibelforscherin aus, damit die Arbeit in Ordnung geschieht und nicht so viel mit
den Männerhäftling verschoben wird. Nach einigen Monaten wurde ich in diesem
Gebäude über 300 Häftlinge Blockälteste vom Obersturmführer Müller. Hatte durch
diesen Posten viel Gelegenheit zum Zeugnis geben sowie auch durch die gerechte
Handlungsweise den anderen Häftlingen gegenüber. Den Häftlingen tat es wohl, da
es keine Strafmeldungen noch Schläge gab. Nachdem ich 14 Monate diesen Dienst
versehen musste, nahm mich Müller zu sich für seinen Haushalt.
Nach 14 Tagen, das war im September (Mitte) 1943, als ich dann an Flecktyphus
darniederlag. Über den Grund meiner Abkommandierung als Blockälteste erkundigte
ich mich bei meiner Aufseherin, ob ich mir hätte was zu Schulden kommen lassen
und die gab mir zur Antwort im Gegenteil, ich hätte Müller zugesagt wegen meines
zurückhaltenden Benehmens und dass Bibelforscher niemals zu Blockälteste
nehmen könnten, weil es keine Strafmeldungen gab und zu wenig streng
vorgegangen wurde. Ich lag 10 Wochen (Von Sept. bis Ende November 1943) an
Flecktyphus schwer darnieder, wo ich natürlich mit dem Tode rang.
Nach meiner Genesung sah ich wiederum, wie wunderbar der Herr die Wege leitete.
Ich kam Anfang Dezember in ein Lebensmittelgeschäft als Verkäuferin und Kassierin
in einen Fleischereiladen. Konnte kaum stehen vor Schwäche und mit Hilfe der
Schwestern, die dort beschäftigt waren, kam ich schnell wieder empor. Durch eine
schwere Verleumdung von einer asozialen Häftlingsfrau sollte ich Gemüse einer
Bibelforscherin ins Revier gebracht haben. Konnte das nicht zugeben, weil es nicht
wahr war, und ein Recht konnte ich mir nirgends suchen. Nach den Angaben der O.-
Aufseherin Zimmer und O.-Aufseherin Mandel wurde über mich eine Strafe verhängt
von 14 Tagen Punker (Arrest). Die Strafe wurde einige Monate aufgeschoben. Auch
diese ungerechte Strafe ertrug ich alles mit Hilfe des Herrn. Dort bekam ich jeden
dritten Tag / alle drei Tage warmes Essen, alle andern Tage nur Brot. Das
Schlaflager war auf dem Boden mit einer Decke zugedeckt. Auf das hinauf verlor ich
meine Stelle im Geschäft und kam in ein Ärztehaus zur Wirtschaft.
Nach kurzer Zeit übersiedelte der eine H.Stf. Schemmel in eine Führerbaracke wo er
mich mitgenommen hat. Dort hatte ich wieder Gelegenheit auch an Zivilpersonen zu
sprechen. Ich gab Zeugnis über unser Hiersein und kamen auf das Gespräch wie
schön es wäre, wenn ich doch mit meiner Mutter so sprechen könnte. Sie ersuchte
mich, ich möchte ihr einen Brief schreiben an meine Mutter und sie würde mir diesen
Brief aufgeben an meine Mutter. Ich konnte mich zu so etwas nicht entschließen, weil
ich doch die Frau gar nicht kannte und der Gefahr ausgesetzt war, dass sie mich
auch verraten könnte. Bei den nächsten Wiedersehen mit der Frau in der Baracke
frug sie mich wieder, ob ich schon geschrieben hätte, ich sagte Nein. Sie gab mir zur
Antwort: „Aber ich habe geschrieben an Ihre Mutter und habe auch schon Antwort.“.
In meinem Kopf ging es hin und her, wie sollte ich das anfangen, dass ich mit meiner
Mutter zusammentreffe. Denn es war nicht leicht, sich mit solchen Gedanken zu
beschäftigen, weil man wusste, wenn die Sache schief geht, dass es auch um das
Leben geht.
Kurze Zeit darauf kam die Frau wieder in die Baracke und zwar mit meiner Mutter.
Ich wusste es momentan nicht, ist es Traum oder Wirklichkeit geworden, und so legte
ich alles in die Hände Jehovas, wie es weiterging. Die Frau fuhr wieder heim und ich
behielt meine Mutter volle 4 Tage in der Baracke in einem Zimmer versteckt, so dass
kein Führer davon etwas merkte, ich wagte es sogar und blieb in der ersten Nacht
bei meiner Mutter und ging nicht in das Lager schlafen. Die anderen Nächte ließ ich
meine Mutter alleine in der Baracke und bei Tag haben wir jede freie Zeit ausgenützt,
um beisammen zu sein, denn es waren 5 ½ Jahre Trennung zwischen uns. Ich
konnte auch damit rechnen, dass von den Führern jemand das Zimmer verlange für
andere Herren zum Schlafen, ich schwebte in ganz großer Gefahr, aber der große
Schöpfer lenkte die Wege so, dass ich seine Güte und Liebe kennenlernen konnte.
Seine Vorsehung war wunderbar. Nach 4 Tagen wurde meine Mutter wieder von der
Frau abgeholt und fuhr dann mit schweren und doch glücklichen Herzens nach
Hause. Zu betonen ist, dass es keine andere Zeit mehr gegeben hätte, wo es so
günstig gewesen wäre wie in der Zeit, wo meine Mutter hier war. Denn am
darauffolgenden Sonntag war großer Fliegeralarm, die Bahn war auf 100 km
gesperrt, das Zimmer, wo meine Mutter sich befand, war vergeben worden, die
Baracke war voll. Auch wir wurden wieder ganz streng kontrolliert, in jeder Weise hat
Gott die Sache so geführt, dass wir beide unter großen Schutz standen. Darum
sollten wir unser Vertrauen nie auf Menschen setzen, sondern auf unseren großen
Schöpfer, von dem die Rettung kommt.
Wir waren noch unter viel Gefahr ausgesetzt, bis wir am 18. Januar 1945 das Lager
Auschwitz verlassen mussten. Ich war 3 ½ Jahre in Auschwitz und in der Zeit hat
man sich so oft gefragt, wie wird unsere Befreiung aussehen und freuten uns auf den
Tag, wo Jehovas Name gerechtfertigt wird. In Auschwitz durften wir Privatkleidung
tragen und zwar solche, die von den Juden genommen wurde und uns übergeben,
weil sie nicht wollten, dass wir in Häftlingskleidung sie bedienen. Wir trugen Zivil
und der linke Ärmel war mit der Nummer versehen. Einmal wollten sie es wieder
probieren und uns in Häftlingskleider stecken, was nur ein paar Tage anhielt. Sie
wollten auch der Öffentlichkeit nicht preisgeben, dass wir in den Zebrakleidern umher
gingen, denn wir wurden ja von viel Zivilvolk gesehen und in der Öffentlichkeit wollten
ja diese immer im schönen Licht stehen.
Am 18. Januar von Auschwitz weg, ging es zu Fuß in das Lager Großrosen, dort
waren wir 14 Tage, von da aus ging es durch Thüringen durch ganz Deutschland
durch Österreich bin in das Lager Mauthausen, überall war alles überfüllt. In diesem
Lager blieben wir einige Tage und dann ging es wieder dahin mit uns fort nach
Deutschland, von wo wir gekommen sind. In Nürnberg standen wir 3 volle Tage bei
größtem Fliegeralarm, ohne was zu essen, denn die hatten ja nichts mehr für uns, wir
waren ja dem Hunger preisgegeben und dann ging es wieder weiter mit uns, bis in
das Lager Bergen-Belsen. Dort angekommen sahen wir wieder, was da alles los war,
denn richtige Teufel haben hier geherrscht. Dort war die Reinlichkeit unterm Vieh,
ohne Strohsack in den Betten. Das dauerte 14 Tage, dann kam der Kommandant
von Nordhausen und sucht wieder 25 Stück aus in sein Lager Nordhausenn, der
Kommandanten Beer kannte uns von Auschwitz und nahm uns mit in sein Lager. In
dem Lager Nordhausen waren wir nur 25 Frauen alleine, alles nur Zeugen Jehovas.
Sie steckten uns zu der SS um Ihre Wirtschaft in Ordnung zu bringen und sie
nahmen fest an, dass wir von hier nicht mehr herauskommen werden, aber
Menschenweisheit ist auf Sand gebaut, und schon nach 4 Wochen waren wir auf
dem Wege aus dem Lager.
Denn sie wurden auch von dort vertrieben und sie gedachten mit uns nach dem
Lager Neuengamme weiter zu fahren und es gebe kein Ende für sie. Unterwegs
wurden wir frei, denn jede Verbindung mit der Bahn sowie alles andere war
abgeschnitten und sie mussten zu sehen, wie ihre große Macht gescheitert ist. So
sind wir zu großem Dank verpflichtet, unserem großen Schöpfer Jehova, der uns
sehen ließ, seine Vernichtung an seinen Feinden. Seine Ankündigung hat er durch
seine Zeugen wahr machen lassen. So sehen wir immer, wie Jehova seinen Plan
bestätigt und seine Verheißung wahr macht, die er seinem Volke verspricht. Ich
machte mich dann alleine auf den Weg und war somit am 5. April 1945 frei von den
Satansbedrücker.
Mein Weg zu Fuß der Heimat zu, wo ich einige Tage alleine wanderte und am 11.
April in der Nähe von Braunschweig ankam. Ich konnte nicht mehr weiter, weil jede
Bahnverbindung abgeschnitten war. Es sprach mich auf dem Wege eine
Bauersfamilie an und lud mich ein zu sich in die Wohnung zu kommen. Ich musste
bei ihnen bleiben und zwar bis ich Gelegenheit hatte, mich der Bahn fortzukommen.
Es dauerte dies 5 Monate, ich wurde behandelt wie das eigene Kind, konnte mich
sehr gut erholen und nahm schnell zu. So sah ich wiederum, wie der Herr für die
Seinen sorgt. Und so ist jeder auf andere Art und Weise geprüft worden und jeder
musste zugeben, dass er überall die Hand Jehovas gespürt hat.
Meine Heimreise trat ich am 22. Sept. an und war am 25. Sept. zu Hause
angekommen. Habe nichts von meinem Mann gewusst, wir konnten uns ja nur mit
ein paar Zeilen monatlich schreiben und am Ende wussten wir überhaupt nichts mehr
voneinander. Hier musste man wirklich Gott Vertrauen walten lassen, das uns
Jehova die große Gelegenheit noch einmal schenkt, für seinen Namen wirken zu
dürfen, und dass wir unter diese zählen dürfen, mitsammen im Kampfe zu stehen für
Jehova und für Christus. Zu kämpfen für die Neue Welt, die uns Jehova verheißen
hat, welche im Gehorsam treu bleiben und mitwirken in der Theokratie. So wollen wir
weiterhin Jehova loben und preisen, ihm allezeit die Ehre geben und in seinem
Dienste stehen, wie er uns geheißen hat. In Jakobus 1:27: „Besuchet die Witwe und
Weisen und verkündigt ihnen das Evangelium ihr selbst aber haltet euch von der
Welt unbefleckt.“. So war dies nun ein kleiner Auszug von meinen Lagern und eine
Vergangenheit über die wir heute frohlocken können, dass der Herr uns die Gnade
erteilt hat, dass wir alles in seiner Liebe und Geduld ertragen konnten. Wir bitten
weiterhin um seinen Segen und um seine Kraft, dass wir auch in Zukunft den Kampf
nicht aufgeben, um Teilhaben zu dürfen an seiner Rechtfertigung bis zum völligen
Siege.
Lassen wir nun das Wort Gottes sprechen, wo es heißt in Rö.8:35: „Trotz der vielen
Anläufe des Teufels und Versuchungen, sowie der adamitischen Fehler und
Schwachheiten – Schwestern gegenüber – wo auch damit, auch manche Schwester
wirklich ein Anstoß zu Fall geworden ist, konnte uns nicht scheiden von der Liebe
Gottes. Drangsal oder Angst? Oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder
Gefahr oder Schwert?“. Wie geschrieben steht: „Um deinetwillen werden wir getötet
den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir gerechnet worden.“.
2.Kor. 4:8: „Wir wurden allenthalben bedrängt, aber nicht eingeengt; keinen Ausweg
sehend, aber nicht ohne Ausweg; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen,
aber nicht umkommend; allezeit das Sterben Jesu am Leib tragend, auf dass auch
das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“. (Ps. 126) Und als Jehova-Gott
durch seine Zeugen am 7.10.1934 über 20.000 Telegramme und Briefe den Sturz
des totalitären Ungeheuer ankündigen ließ, und im Jahre 1945 erfolgte, da war sein
Volk Gottes frei aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern, ja sie waren wie
Träumende, unser Mund voll Lachens, und unsere Zunge voll Jubels: Da sagte man
unter den Nationen: „Jehova hat großes an uns getan! Wir waren fröhlich! Die mit
Tränen gesät haben, mit Freuden und Jubel haben sie geerntet.“. (1919 bzw. 1922
hat sich dies zum ersten Mal erfüllt und jetzt zum zweiten Mal im Jahre 1945). Weiter
geht der Kampf zur Ehre, zum Ruhme, Dank, und Lobe Jehovas, Amen!

Literatur und Quellen:
• Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Erinnerungsbericht von Maria Moser vom 30.5.1946
• Hillinger; Alfred: Kraft, die über das Normale hinausgeht. Zeugnisse unerschüttlichen Glaubens. Verein Chronik Publik. Straßwalchen 1999, S 15f
• Hesse, Hans (Hrsg.): „Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas“. Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus, Bremen 1998, S 129
• Hesse, Hans/Harder, Jürgen: Und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müsste …, Die Zeuginnen Jehovas in den Frauenkonzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück, Essen 2001, S 147ff
• Karner/Gsell/Lesiak: Schloss Lannach. 1938-1945, Graz 2008, S 144ff
• Teresa Wontor-Cichy: Für den Glauben in Haft. Zeugen Jehovas im KL Auschwitz. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oswiecim 2006, S. 52, 64


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Eine Antwort zu „Moser Maria, geb. Viertlbauer“

  1. […] am 17. Juli 1900 Gestorben: am 31. Oktober 1995 Verheiratet: ab 1927 mit Maria geb. Viertlbauer, geb. 13. November 1960 in Braunau, OÖ, Österreich, gest. am 14. September 1973 […]

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