Geboren: 29. Dezember 1908 in Stadl an der Mur, Steiermark, Österreich
Gestorben: 22. Juni 1979
Taufe als Zeuge Jehovas: 15. August 1935
Vater: Oswald Ruckhofer, röm. katholisch
Mutter: Anna Meissnitzer, röm. katholisch
Geschwister: Maria, Stefanie, Aloisia, Karl, Hans
Heiratet am 29. Jänner 1949: Theresia Steiner, geb. 7.9.1918
Kinder: Christine, Peter, Johann (alle Zeugen Jehovas), Anneliese (als Kind verstorben)
Verhaftet: 21.12.1939 Einlieferung Graz, Landesgericht, 16.2.1940 ins KZ Sachsenhausen, 1.3.1940 ins KZ Neuengamme
David Meissnitzer wurde am 29. Dezember 1908 in Stadl an der Mur geboren und wuchs als eines von sechs Kindern von Anna Meissnitzer auf. Zwischen 1928 und 1929 kam er im Monat April nach Winkelmühl zum Holzausziehen. Als im Juni diese Arbeit beendet war, fand er beim Modersbauernbauern im Sölktal (Großsölk) eine Stelle als Senner auf der Alm. David war sehr naturverbunden (seine Lieblingstees waren Kamille und Scharfgarbe), er spielte auf der Zither und war als fleißiger Arbeiter bekannt.
David Meissnitzer wurde schließlich Land- und Forstarbeiter, u.a. ab 1936 in Rottenmann, danach in Eisenerz für die Österrr. Alpine Montan A.G. und für das Stift Admont.
Allerdings hatte er eine gefährliche Leidenschaft: er war Wilderer. Sogar seine Munition baute er sich selbst zusammen. Einmal sprang er auf der Flucht vor dem Jäger in eine tiefe Schlucht, wobei er sich verletzte. Ein andermal hetzte der Jäger seinen Hund auf ihn und schoss ihm nach, wobei seine Hand getroffen wurde. Da der Jäger ihn nicht stellen konnte, kamen Gendarmen zum Modersbauer und durchsuchten sein Zimmer und seinen Koffer. Schließlich wurde er in Gröbming für einige Wochen in Polizeigewahrsam genommen.
Nach dem Arrest bekam David Meissnitzer beim Bauern Schweiger in St. Nikolai im Sölktal eine Arbeit. Als er dorthin marschierte fand er am Fenster drei Papierfetzen. Es waren Traktate (die wahrscheinlich von Leopold Engleitner aus Bad Ischl dort zurückgelassen worden waren) mit den Titeln: „Der Glaube kann Berge versetzen“, „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ und „Ist es in der Hölle heiß?“. Auf diesen Faltblättern war unter anderem folgende Aufforderung zu lesen: „Nähere Informationen erhalten Sie, wenn Sie an Richter Rutherford schreiben.“ David wollte mehr darüber wissen und forderte Literatur an. Er las sehr fleißig und begann so die Bibel zu studieren.
Leopold Engleitner erinnert sich im Jahr 2000 an eine Begegnung mit David Meissnitzer. Als David eines Tages mit einer Fuhre Holz unterwegs war, begegnete er dem Leopold Engleitner, der als Zeuge Jehovas in der Sölk unterwegs war. Er gab David eine Broschüre, die dieser zunächst zerreißen wollte. Er überlegte es sich dann aber anders.
Bald verspürte er den Wunsch auch mit anderen in seiner Umgebung über das Neugelernte zu sprechen. So forderte er einmal eine ältere Frau mit seinem gängigen Spruch auf: „Steig auf den Berg Sinai!“ worauf die Dame meinte: „Das kann ich in meinem Alter wohl nicht mehr.“ Von dieser Zeit an hörte Meissnitzer David mit dem Wildern auf. Sein Hauptinteresse galt ab jetzt seinem Glauben.
Im Jahr 1934 trat er von der römisch katholischen Kirche aus und ließ sich am 15. August 1935 in Admont als Zeuge Jehovas taufen.
[title size=“3″]Du gehörst ja nach Dachau![/title]
1936 kam er als Forstarbeiter nach Rottenmann. Er besuchte die Zusammenkünfte der Bibelforscher in Admont. Sie wurden dort in privatem Rahmen bei Familie Kröpl in der Krumau abgehalten. Als Hitler bei seiner Reise durch Österreich im April 1938 in Rottenmann (Anm. oder Selzthal?) einen Halt machte, bildeten Arbeiter ein Begrüßungskommitee. Auch Meissnitzer musste erscheinen. Als jedoch alle die Hand zum Hitlergruß erhoben und „Heil Hitler“ riefen, blieb David im Hintergrund und grüßte nicht. Das blieb nicht unbemerkt. Ein Passant, der Davids Reaktion beobachtete, rief ihm zu: „Du gehörst ja nach Dachau!“
[title size=“3″]Verhaftung[/title]
Vom 2.5. bis 21.12.1939 war er als Forstarbeiter bei der Alpine Montan AG in Eisenerz beschäftigt. Dort erhielt er auch den Einberufungsbefehl. Gemeinsam mit Stefan Löschenkohl, seinem Arbeitskollegen und Glaubensbruder, folgte er diesem Befehl. Allerdings verweigerten sie den Dienst mit der Waffe, was ihre sofortige Verhaftung zur Folge hatte. Zuvor hatte er noch seine gesamte religiöse Literatur einem gewissen Herrn Kohlgruber anvertraut, bei dem er sie nach dem Krieg auch wieder abholte.
David Meissnitzer meldete sich gemeinsam mit seinem Arbeitskollegen mit seiner Einberufung beim Stellungskommandanten. Dort verweigerte er jedoch aus religiöser Überzeugung den Dienst mit der Waffe. Seine mitgebrachte Bilderbibel wurde ihm sofort abgenommen. Danach wurde er verhört und ein Offizier schlug ihm mehrmals brutal mit einem Schierhaken auf den Kopf. Schließlich schrie er David an: „Sie müssen doch Ihr Vaterland verteidigen!“ David Meissnitzer antwortete: „Mein Vaterland ist die ganze Erde.“ Der Offizier fragte ihn: „Und was wäre denn, wenn alle so denken würden?“ „Dann bliebe der Krieg aus“, erwiderte Meissnitzer. Der Offizier ließ ihn daraufhin in Ruhe. Dennoch folgte die Inhaftierung am 21. Dezember 1939 und David Meissnitzer wurde in das Landesgericht Graz gebracht.
[title size=“3″]KZ Mauthausen, Sachsenhausen, Neuengamme[/title]
Überblick über die Gefängnisaufenthalte
21. Dezember 1939 Graz / Landesgericht
KZ Mauthausen (Zwischenstop)
16. Februar 1940 KZ Sachsenhausen
1. März 1940 – 9. Mai 1945 KZ Neuengamme
Am 1. März 1940 gelangt Meissnitzer David gemeinsam mit anderen Häftlingen (bis Juni ca. 200 – 250) von Sachsenhausen nach Neuengamme, wo er beim Aufstellen der Baracken helfen musste. Der neue Kommandant Eisfeld führte jene Terrormethoden ein, die in den Konzentrationslagern üblich waren. Schläge und Schikanen begleiteten die Inhaftierten von nun an den ganzen Tag über. Nach kurzer Zeit gab es die ersten Todesfälle. Allerdings starb Eisfeld am 15. April 1940 überraschend während eines Besuchs in Dachau. Seine Tochter soll später gesagt haben: „Die Zeugen Jehovas haben meinen Vater zu Tode gebetet.“ Der neue Kommandant Weiß hielt sich zwar mehr im Hintergrund, sorgte aber für denselben Terror.
Von jetzt an darf David Meissnitzer zwar Briefe schreiben, allerdings gelangen nur sehr spät einige wenige auf die Alm in der Kleinsölk. Sie sind alle sehr kurz und mit sichtlich zensiertem Inhalt, nämlich, dass es ihm gutgehen würde
In Wirklichkeit sah die Situation ganz anders aus. So wurden sie nach der Arbeit zu „Trainingseinheiten“ geschickt. Z. B. 20 min. „Bärengang“ – man musste sich niederbeugen, seine Knöchel umfassen und in dieser Position gehen. Oder es gab „Häschen-hüpf, wobei es David oft am längsten aushielt, was ein SS-Kommandant mit den Worten „Mir scheint, der Kerl ist ein Sportler“ honorierte. In der glühenden Junisonne mussten sie oft bis zu einer halben Stunde in der Hocke mit ausgestreckten Armen verharren. Durch diese Tortur waren ihre Köpfe auf die doppelte Größe angeschwollen. Zu dieser Zeit hatte David bereits mit seinem Leben abgeschlossen, da er nicht glaubte, hier je wieder lebendig hinauszukommen.
David war auch einmal als Koch eingesetzt.
Nach der Bombardierung Hamburgs wurde die Häftlinge zum Bombensuchen und Leichenwegräumen eingesetzt. David gehörte auch so einem Trupp an. Dieser Trupp bestand hauptsächlich aus Bibelforschern. Die Bibelforscher wurden von der SS in schwer zu überwachende Außenkommandos bevorzugt eingesetzt, weil die Bibelforscher in einer Flucht einen Widerspruch zu dem Vertrauen in die göttliche Vorsehung sahen und es daher ablehnten, zu fliehen. Unter anderem mussten auch Bunker von Leichnamen gereinigt werden. Das Körperfett war flüssig geworden und aus den Körpern ausgetreten. Es stank fürchterlich. Meißnitzer musste tagsüber mit zerfetzten toten Körpern arbeiten, wobei er immer von quälendem Hunger verfolgt wurde. So suchte er bei Außenarbeiten immer nach etwas Essbaren. Manchmal aß er sogar Schnecken oder Knochen, die bereits von Hunden abgenagt worden waren, um den schrecklichen Hunger zu bekämpfen. Er fischte auch total ölverschmiertes Brot aus dem Hafenwasser und aß es.
David Meißnitzer musste auch in einem SS-Reitstall arbeiten, wahrscheinlich zwischen Jänner und März 1945 in dem Außenlager in Braunschweig, das sich „SS-Reitschule“ nannte.
Gegen Ende des Krieges wurde er zu einer Eisenwarenfabrik geschickt. Der Inhaber meinte Jedoch: „Was soll ich mit diesen Menschen anfangen, die sind doch viel zu schwach um zu arbeiten“ Daraufhin wurde ihnen etwas mehr Nahrung gegeben.
David Meißnitzer schreibt darüber in seinem Lebensbericht aus dem Jahr 1970: „In Bergedorf bei Hamburg leisteten wir als Sträflinge Arbeit in einer Eisengroßhandlung (Glunz). Obwohl Posten aufgestellt waren, gelang es einer Glaubensschwester, uns mit Literatur zu versorgen. Ihr leiblicher Bruder, ebenfalls ein Zeuge (wir waren 5 im selben Trupp), war ebenfalls als Häftling bei uns. So bekam die Schwester vom Chef der Eisenhandlung die Erlaubnis, ihren Bruder zu besuchen, dies ohne Wissen der Wachposten. Bei dieser Gelegenheit gab sie ihm die mitgebrachte Literatur, die ihr Bruder unter uns verteilte. Ihr glaubensvoller Einsatz unter Lebensgefahr hat uns sehr geistig gestärkt.“ (Vgl. Garbe, Zwischen Widerstand und Verfolgung, München 1999, Seite 488.
Im Lager hatte er viel Kontakt zu Adalbert Strasser, der ebenfalls ein Zeuge Jehovas war. Strasser arbeitete im „Angorakommando“. Dieses diente der Angorakaninchenzucht, deren Wolle für die Fertigung von Fliegerjacken genutzt wurde. Sie sprachen zu dieser Zeit oft darüber, wie sie, falls sie wieder frei kämen, ihr Heim gestalten wollten.
Im April 1945 gehörten David Meissnitzer und Adalbert Strasser zu den ca. 700 Häftlingen, die im Hauptlager zurückblieben, nachdem die meisten auf verschiedene Schiffe verladen worden waren. Sie sollten noch Aufräumungsarbeiten durchführen. Dazu gehörte unter anderem auch die Vernichtung von Akten und übrigen Spuren, die auf das fürchterliche Geschehen in diesem Lager hinwiesen.
[title size=“3″]Todesmarsch[/title]
Am 30. April 1945 marschierten die Häftlinge auf einem „Todesmarsch“ unter dem Kommando des Lagerführers Thumann und des Rapportführers Dreimann in Richtung Flensburg. Auf diesem Todesmarsch kam kein einziger Zeuge Jehovas ums Leben, da sie sich gegenseitig trotz ihrer eigenen Schwäche halfen.
In Flensburg war der Dampfer „Rheinfels“ gerade in der Werft zur Reparatur. Eigentlich hätten sie mit dem Schiff transportiert werden sollen, was wahrscheinlich ihren Tod zur Folge gehabt hätte, da alle deutschen Schiffe von den Alliierten bombardiert wurden. Der Kapitän des Schiffes verweigerte aber den Befehl auszulaufen, da das Schiff vorher repariert werden sollte. Einige Tage später wurden sie von den Engländern befreit.
Am 18. Mai 1945 kam er in Flensburg in das Betreuungslager „Stormschule“, wo er bis zum 1. August 1945 blieb.
Anschließend wurde er auf einen Bauernhof in Deutschland untergebracht, wo er wieder zu Kräften kommen konnte.
Er kehrte in die Heimat zurück und heiratete am 29. Jänner 1949 Theresia Steiner.
Quellen: Erinnerungsbericht von David Meissnitzer
Zeitzeugenaussagen
Über David Meissnitzer existiert ein Schreiben der Bergbauversicherung in Eisenerz, in dem ihm Versicherungszeiten für seine Gefangenschaft aus religiösen Gründen vom 22.12.1939 bis 9.5.1945 angerechnet werden. Seine Haft begann im Gefangenenhaus Graz, seine Briefe stammen aus Neuengamme bei Hamburg.
Identification Card 1945: Ausweis für ehemalige Gefangene aus den KZ-Lagern Sahsenhausen und Neuengamme
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