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Erinnerung an gestern ist Aufgabe von heute und vielleicht Widersand von morgen. Und der Widerstand ist immer zu üben, gegen Willkür und Terror. Auch heute gilt es mehr denn je, wider Rassismus, wider Nationalismus, gegen politische Willkür, gegen Diktatur, gegen die Ermordung des Nachbarn, des Nächsten einzutreten und aufzuklären. Wie ich gelesen und gehört habe, waren es gerade die Zeugen Jehovas, die sich am standhaftesten geweigert haben, obwohl es immer wieder Angebote gegeben hat, sie mögen den Eid ablegen, dann würden sie freigelassen. Es gab auch viele, die sich nicht hergegeben haben, ihrer Religionsgemeinschaft abzuschwören, als Kapo zu dienen oder als verlängerter Arm der Lagerverwaltung. Und ich glaube, dies ist ein Zeichen der Standhaftigkeit und auch der geistigen Standhaftigkeit, die zu achten und zu schätzen ist.Karl-Heinz Herper, Stadtrat von Graz, Ansprache anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Die vergessenen Opfer der NS-Zeit“ in Graz am 1. September 1997 Franz Jägerstätter war mir schon als Kind ein Begriff, weil sich mein Vater auf ihn bezogen hat. Er hat voll Ehrfurcht von ihm gesprochen, aber gleichzeitig auch darauf hingewiesen, dass sicher Franz Jägerstätter eine Ausnahme war, und er jedenfalls nicht so handeln konnte. Anfang der 80er Jahre habe ich in Innsbruck an der Universität an einer Dokumentation gearbeitet – über die Verfolgung der Zeugen Jehovas. Und Ende der 80er Jahre habe ich an einer ähnlichen Dokumentation für das Bundesland Salzburg gearbeitet. Ich bekomme vom Dokumentationsarchiv in Wien einen Stapel Dokumente über die Verfolgung von Bibelforschern, wie wir sie eigentlich noch immer am Land nennen, und ich sehe mir die Dokumente durch und finde plötzlich auch Unterlagen von Matthias und Johann Nobis aus St. Georgen bei Salzburg. Ich habe erst Ende der 80er Jahre erfahren, dass aus meiner Heimatgemeinde zwei Zeugen Jehovas hingerichtet worden sind: im Jänner 1940 in Berlin. Diese Ausstellung ist keine Anklage an Personen, ist aber auch keine Anklage an die Soldaten des 2. Weltkrieges, sondern ist eine Mahnung einer Glaubensgemeinschaft an uns alle, nicht noch einmal oder nie wieder einer derartigen Täuschung, einer derartigen Blendung und Verführung zu unterliegen. Es ist eine Mahnung an uns alle. Und wem hilft es, zu verschweigen, was damals passierte? … Kaum jemand hat etwas gewusst, niemand war dabei, kaum jemand hatte dem zugejubelt – aber woher nahm dann dieses Regime in Wirklichkeit die Kraft und die Entschlossenheit zu Taten, wie sie in dieser Ausstellung in Form von Bildern und Dokumenten gezeigt werden? Ich glaube, dass die Botschaft aus dieser Ausstellung nur sein kann und nur ist: mehr Solidarität, mehr Miteinander, mehr Füreinander und nie mehr Gegeneinander, mehr Toleranz, kein Ruf nach Rache und kein Ruf nach Genugtuung. Die Zeugen Jehovas können sich mit Recht darauf berufen, dem „Bösen“ widerstanden zu haben. Im wörtlichen Sinne der biblischen Aufforderung haben sie ihren Anspruch, in der wahren Nachfolge Jesu Christi zu stehen, erfüllt. … Hätte es dieses Beispiel einer standhaften christlichen Glaubensgemeinschaft unter der nationalsozialistischen Diktatur nicht gegeben, so müsste nach Auschwitz und dem Holocaust an der Erfüllbarkeit der christlichen Lehre Jesu gezweifelt werden. Aus heutiger Sicht müssen wir uns mit dieser Zeit auseinandersetzen, weil es einfach ein Akt der gesellschaftlichen Hygiene ist, Verbrechen nicht im Raum stehen zu lassen, ‚denn die Gerechtigkeit bricht sich ihren Weg‘, wie Nationalratspräsident Heinz Fischer im Vorwort zum Anton-Uran-Buch schreibt. Nehmen Sie das Schicksal von Anton Uran stellvertretend auf – in Ihre Köpfe, in Ihre Diskussionen, in Ihre Familien. Seien Sie zuversichtlich, wir werden wachsam sein und weiterarbeiten an dem Thema, weil wir als gesamte Gesellschaft, als Bürger der Republik Österreich, dies als richtungs- und zukunftsweisend erachten. Hitler ist leider nicht nur ein Name. Hitler ist vielmehr eine Gesinnung. Diese ist nicht tot. Sie lebt immer noch. Ihr entgegen zu treten, erfordert heute immer noch Mut. Diese Ausstellung gibt ein beredtes Zeichen, dass in der Zeit des Nationalsozialismus, die Würde der Menschen mit Füßen getreten und aufs Tiefste verletzt wurde. Wenn wir die Mahnung der Opfer in unseren politischen Alltag mit einbeziehen, war ihr Opfer ein Beitrag dafür, dass solche Systeme in Zukunft keine Chance mehr haben. Wir brauchen weltweite Solidarität für alle Menschen, egal welcher Glaubensgemeinschaft sie angehören, die bedroht und verfolgt werden. Ich habe diese Ausstellung gesehen und bin zutiefst erschüttert. Mögen viele diese Ausstellung sehen und möge sie für viele ein Anlass zur Besinnung sein. Eine religiöse Minderheit, die in der Gedenkarbeit bislang nicht jene Beachtung gefunden hat, die sie verdient, sind die Zeugen jehovas. Sie wurden vom Hitlerregime gnadenlos verfolgt und ermordet und haben doch bewiesen, mit ihrer Standhaftigkeit, dass sie vermögen, ihren Glauben zu verteidigen. Und wenn man die Bilder und Schautafeln dieser Ausstellung betrachtet, hat man einmal mehr vor Augen, welches menschliche Leid hinter jedem einzelnen Schicksal steht. Es wird einmal mehr auf schreckliche Weise veranschaulicht, was die Opfer des Nationalsozialismus durchleiden mussten, nur weil sie einer unerwünschten Glaubensrichtung angehörten. … Ich möchte Ihnen auch wünschen, dass einer breiten Öffentlichkeit Zeugen Jehovas als Opfer des Faschismus ins Gedächtnis gerufen werden. Möge die Ausstellung auch eine Mahnung sein, dass sich dieses dunkle Kapitel unseres Jahrhunderts niemals wiederholen darf. Wir dürfen nicht vergessen, wir müssen uns der Geschichte stellen! Denn wenn wir nicht bereit sind aus der Geschichte zu lernen, dann werden wir sie wieder erleben. … Kommen schon wieder jene an die Öffentlichkeit, die nicht aus der Geschichte gelernt haben, die regieren, die nicht glauben, dass es das, was es gegeben hat, wirklich gegeben hat? Wehren wir den Anfängen, sind wir nicht feige, sagen wir jetzt etwas dazu. Verlangen wir nicht von jemandem, dass er den Mut eines Jegerstätters, Stanzls, Oswalds oder dem Ehepaar Köcks hat. Noch tut es nicht weh, noch gefährdet es nicht das Leben, noch gefährdet es nur das Ansehen, die Reputation, vielleicht auch die Mehrheit. Jetzt müssen wir laut werden, jetzt müssen wir uns etwas trauen, nicht dann, wenn wir den Mut eines Jägerstätters, Redlingshofers oder einer Familie Köck brauchen! Daher bin ich froh und dankbar, dass sich Vertreter Ihrer Glaubensgemeinschaft bereit erklärt haben, diese Ausstellung zu organisieren. Nahezu unbemerkt blieb die Gruppe der weiblichen Häftlinge. … Es ist nur wenig über die Frauen zu erfahren, wobei allerdings ein Thema dominiert: Die Frauen seien nämlich samt und sonders eingesperrt gewesen, weil sie Bibelforscherinnen gewesen seien und dem Staat die Dienste verweigert hätten. Man habe ihnen immer wieder gesagt, sie kämen frei, würden sie ihrem Glauben abschwören. Die Frauen wären allerdings … in keinem Fall zu diesem Akt bereit gewesen. Es ist zu befürchten, dass nicht aufgearbeitete Geschichte der Nährboden für Wiederholung ist. Die Veranstalter, die Zeugen Jehovas, erweisen mit dieser Ausstellung jenen Menschen Respekt und Ehre, die in unerschütterlicher Treue zu ihrer politischen und auch religiösen Überzeugung ihr Leben bis zur letzten Konsequenz eingesetzt haben. Die Zeugen Jehovas waren pflichtbewusste, ehrliche Bürger, die nie zu Gewalt neigten, die Staatsgesetze befolgten, ihre Steuern zahlten und schwer arbeiteten. Reichsführer SS Himmler gab seiner Hochachtung vor dem beispielhaften moralischen Verhalten der Zeugen in einem Schreiben an Ernst Kaltenbrunner, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes, am 21. Juli 1944 Ausdruck.
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