Augenzeugen

[title size=“2″]Augenzeugen berichten[/title]
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Man mag über die Bibelforscher denken, wie man will, man mag sich in ihre Gedankenwelt hineinfinden oder nicht, man mag ihre Ideen bejahen oder verneinen, es weiß jeder, der mit ihnen zusammen viele Jahre des Grauens erlebt hat, dass sie vorbildliche Kameraden gewesen sind und sich in jeder Situation an unserer Seite gegen die SS, damit gegen Hitler stellten.
Rosa Jochmann, Augenzeugin, Ein Kampf, der nie zu Ende geht, Ansprache vor dem Parlament am 9. Februar 1949

Im Herbst 1942 ging ein neuer Transport Frauen (von Ravensbrück) nach Auschwitz, unter ihnen auch alle „extremen“ Bibelforscherinnen. Noch immer wussten wir nichts Genaues über Auschwitz. … Es waren zwölf oder fünfzehn von den Extremen, die vor kurzem erst nach Auschwitz gebracht und nun wieder zurück transportiert worden waren. Eine von ihnen, Rosl Hahn aus Ischl, rief. „Komm her, Grete! Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen! Man hat uns von Auschwitz zurückgebracht; wir werden bestimmt hingerichtet. Aber bevor wir sterben, muss ich dir sagen, was in Auschwitz Entsetzliches geschieht! Da wirft man Menschen, lebende Kinder, ja, du kannst es mir glauben, jüdische Säuglinge wirft man ins Feuer. Über dem ganzen Lager liegt Tag und Nacht der Gestand nach verbranntem Menschenfleisch …“
Margarete Buber-Neumann, Augenzeugin, in Als Gefangene bei Stalin und Hitler, Stuttgart 1985, S. 298

„Die gehen nicht in den Krieg“, sagte der Österreicher zu seinem Kameraden. „Die lassen sich lieber töten, als dass sie einen anderen Menschen töten. Ich glaube, nur so handeln wahre Christen. Und weißt du, ich habe etwas Schönes mit ihnen erlebt. Wir waren nämlich mit ihnen zusammen auf einem Block im Lager Stutthof, Juden und Bibelforscher. Die Bibelforscher mussten zu dieser Zeit schwer arbeiten, bei kaltem Wetter immer draußen. Kein Mensch begriff, wie sie es ausgehalten haben. Sie sagten, Jehova gibt ihnen die Kraft dazu. Sie brauchten ihr Brot sehr nötig, denn sie hatten Hunger. Aber was taten sie? Sie trugen alles Brot zusammen, das sie hatten, nahmen sich die Hälfte davon und legten die andere Hälfte ihren Brüdern hin, ihren Glaubensbrüdern, die ausgehungert von anderen Lagern kamen. Und sie hießen sie willkommen und küssten sie. Bevor sie aßen, beteten sie, und nachher hatten alle verklärte und glückliche Gesichter. Sie sagten, dass keiner mehr Hunger habe. Siehst du, da habe ich mir gedacht: Das sind wahre Christen, so habe ich sie mir immer vorgestellt. Wie schön wäre es gewesen, ausgehungerten Mitbrüdern hier in Auschwitz einen solchen Empfang zu bereiten.“
Tibor Wohl, Augenzeuge, in Arbeit macht tot – Eine Jugend in Auschwitz, 1990

Ich erinnere mich an 13 Bibelforscherinnen. Sie weigerten sich aus Glaubensgründen am Appell teilzunehmen (es bedeutete für sie eine militärische Handlung). Sie mussten von anderen Häftlingen zum Appellplatz getragen werden. Der Lagerkommandant Koegel befahl den Blockältesten einige Kübel Wasser über diese Frauen zu schütten und als sie sich weigerten, das zu tun, drohte er ihnen mit dem Bunker. Der Reif hatte alles überzogen und es war sehr kalt. Die völlig durchnässten Bibelforscherinnen wurden schließlich in den Bunker geschleift. Dort wurden die Hunde auf sie gehetzt. Ich musste am nächsten Tag aus den Habseligkeiten der Frauen 13 Pakete machen und diese im Keller einem SS-Mann abgeben. Da wurde mir klar, dass diese Frauen nicht mehr lebten, sie waren ermordet worden.
Hermine Jursa, Augenzeugin, Aussage anlässlich der Tagung des DÖW, ‚Zeugen Jehovas – Vergessene Opfer des Nationalsozialismus?‘ am 28. Jänner 1998

Als ich im Dezember 1938 nach Dachau kam, habe ich sehr bald Bibelforscher kennengelernt. … Die Bibelforscher wurden in Dachau in einem gesonderten Bereich gehalten. Abgesperrt vom übrigen Lager mussten sie unter besonders schweren Verhältnissen arbeiten. Für sie gab es keinen Samstag nachmittag und Sonntag. Sie mussten arbeiten. Sie hatten auch keine Möglichkeit, ihre schmale Lagerkost in der Kantine aufzubessern. Aber das Schlimmste war: Es war ihnen das Lesen verboten. … Wir hatten auch große Achtung vor ihnen, da sie ruhige, friedliche und freundliche Menschen waren. Ich begrüße es daher sehr, dass eine Gedenktafel an sie erinnern wird.
Dr. Hermann Lein, Augenzeuge, Ansprache anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel für die Opfergruppe der Zeugen Jehovas in der Gedenkstätte Mauthausen am 8. August 1998

Da ich sechs Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern war und sehr vielen Bibelforschern begegnet bin, die ausgezeichnete Handwerker waren, die meisten als Vorarbeiter oder sogar Kapos in den Konzentrationslagern tätig waren, waren das die einzigen, die andere Häftlinge nicht geschlagen haben. Sonst haben alle Arten von Häftlingen, abgesehen von den Kriminellen, die wir als BV’er (Berufsverbrecher) bezeichnet haben – selbst politische Häftlinge haben andere Häftlinge geschlagen; aber ein Bibelforscher hätte nie gegen einen Häftling die Hand erhoben.
Marko Feingold, Augenzeuge, Ansprache anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Die vergessenen Opfer der NS-Zeit“ in Straßwalchen am 22. November 1997

In Berlin kam ich zum zweiten Mal mit ihnen (Anm: den Bibelforschern) in Berührung. Das erschütternde Erlebnis mit ihnen wird mir unvergesslich bleiben. Ich war von Graz nach Berlin transportiert worden, weil ich vor dem Militärgericht über meinen späteren Mann Friedrich Pietzka aussagen sollte. Wir wurden zur Einvernahme in einen tiefer gelegenen, kellerartigen Raum geführt und mussten uns in kleine Kabinen, nur getrennt durch eine Holzwand, nebeneinander setzen und warten. Wir konnten sogar vorsichtig miteinander sprechen. Es dauerte nicht lange, da kamen etliche junge Männer aus einer Tür heraus, offensichtlich von einer Verhandlung und erzählten lachend, dass sie soeben zum Tode verurteilt worden wasren. Uns fuhr der Schreck in alle Glieder. Wir konnten keine Worte finden, wie man so ein Todesurteil so fröhlich hinnehmen konnte! Man reichte ihnen dann etwas zu essen, das sie mit größtem Appetit und unter fröhlichen Gesprächen verzehrten, so, als ob sie einen Freispruch geschenkt bekommen hätten. Wir hätten keinen Bissen hinuntergebraucht! Wir waren fassungslos! War das ihr tiefer Glaube an ihre Auferstehung nach dem Tode? Es waren auf alle Fälle sehr tapfere Menschen, die für ihren friedlichen Glauben ihr Leben hingaben! Und deshalb wurden sie unbarmherzig umgebracht!
Hermine Pietzka, Augenzeugin, in DÖW: Jehovas Zeugen – Vergessene Opfer des Nationalsozialismus?, Wien 1998, S. 54

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