Gedenkfeier Mauthausen 7. Mai 2017

[title size=“2″]Das Schlimmste aller Lager[/title]
Viele Zeugen Jehovas, die auch in anderen Lagern inhaftiert waren, bezeichneten Mauthausen als das Schlimmste aller Lager. Zu dieser Einschätzung trug nicht nur der erbarmungslose Winter 1939/40 mit Extremtemperaturen von bis zu -40°C bei, sondern auch die allgemein bekannten schlimmen Lebens- und Ernährungsbedingungen sowie die harte Arbeit im Steinbruch und der Lageraufbau in Gusen. Dazu kamen die immer wiederkehrenden Verhöre und Zuchtmaßnahmen der SS aufgrund ihrer Verweigerungshandlungen und ihrer Missionstätigkeit.

Trotz der unmenschlichen Bedingungen gingen Zeugen Jehovas mit anderen menschlich um. Überleben war nur durch ihre starke Solidarität möglich, vor allem innerhalb der Gruppe, aber auch gegenüber anderen Mithäftlingen. Die deutschen und österreichischen Zeugen Jehovas kamen mit der Zeit in bevorzugte Stellungen, die sie sich aber nicht durch Anbiedern an die SS, sondern durch Fleiß, Zuverlässigkeit und den durch ihr bedingungsloses Festhalten an ihren Grundsätzen erworbenen Respekt verschafften. Sie übernahmen auch diverse Häftlingsfunktionen und halfen den ausländischen Zeugen Jehovas, ebenfalls in bessere Arbeitskommandos zu kommen. Die Zeugen Jehovas blieben auch unter Extremverhältnissen ihren aus der Bibel entnommenen Grundsätzen treu und handelten gemäß ihrem Gewissen. Sie schöpften daraus die nötige Kraft zum gewaltlosen Widerstand gegen das NS-Regime und zur Bewahrung ihrer Integrität.

Die Zeugen Jehovas waren von 1938 bis 1945 sowohl im Hauptlager als auch in beinahe allen Nebenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen anzutreffen. Die Verfolgung der Zeugen erreichte ihren Höhepunkt mit Kriegsausbruch. Die Ablehnung der umfassenden Militarisierung der Gesellschaft brahte die einzelnen Zeugen und Zeuginnen Jehovas in Konflikt mit dem NS-Regime. Neben den ersten Kriegsdienstverweigerern, die vor das Reichskriegsgericht in Berlin gestellt und in vielen Fällen hingerichtet wurden, gab es hier (Anm. in Mauthausen) ein breites Spektrum von Widerstands- und Resistenzhandlungen: Verbreitung von Abschiedbriefen hingerichteter Wehrdienstverweigerer, Verweigerung von Spendenleistungen für Hilfswerke, gegen den Krieg gerichtete Äußerungen oder die Verweigerung von Arbeit in Rüstungsbetrieben bzw. der Rüstungsindustrie nahestehenden Zweigen. … Ihre Standhaftigkeit war ein religiös motivertes Gegenhandeln zu den Forderungen des NS-Regimes, ein Erfordernis geistiger Selbstbehauptung (H. Gsell, T. Jakli, Jehovas Zeugen im KZ Mauthausen, S. 8,9).

Am 29. September 1939 kam es aufgrund der vorübergehenden Auflösung des KZs Dachau zum größten geschlossenen Transport nach Mauthausen, nämlich von 144 Zeugen Jehovas. Von diesen verstarben bis April 1940 53 Zeugen aufgrund der mörderischen Bedingungen im Lager.

Opferberichte nachlesen

Anton Spießberger
Franz Sibetschnig
August Kraft
Alois Moser
Hubert Mattischek
Franz Desch

 

H. Gsell, T. Jakli, Jehovas Zeugen im KZ Mauthausen, 2009


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