Fischeneder Ernestine verh. Kupcic

Geboren am 27.2.1934 in Leoben Göss, Steiermark
Eltern: Vater: Heinrich, geb. 6.4.1894, Mutter: Maria, geb. Held
Bruder: Heinrich junior, geb. 1939

Ich wurde im Mai 1940 – ich war erst 6 Jahre alt – meinen Eltern durch die Jugendfürsorge weggenommen und kam ins Burgenland (Wallendorf) zu einer nationalsozialistisch gesinnten Bauernfamilie, die immer wieder Kinder aus Erziehungsheimen zum Arbeiten zugewiesen bekam. Auf deren Bauernhof musste ich wie ein Erwachsener bei der Arbeit mithelfen. Um 1.30 Uhr musste ich oft aufstehen, um Drescharbeiten durchzuführen. Dann wurden die Kühe gemolken und im Sommer musste ich bei jeder Art Feldarbeit mithelfen. Am Vormittag besuchte ich die Volksschule in Wallendorf. Ab Frühling 1944 bis Kriegsende konnte ich nicht mehr zur Schule gehen, da die Schule mit Militär besetzt war. Der Kontakt zu den Eltern wurde von der Jugendbehörde verboten, da man befürchtete, dass diese weiterhin Einfluss auf mich ausüben könnten. Doch Herr Kloiber setzte sich mit meiner Mutter in Verbindung, so dass sie wenigstens meinen Aufenthaltsort wusste. So erhielt ich wenigstens Briefe. Ich hatte sehr viel Heimweh und weinte oft. Zwei oder dreimal besuchte sie mich. Im Jänner 1945 mussten wir aufgrund der Russen in ein anderes Dorf flüchten. Dort mussten wir auf Kartoffeln und Kraut schlafen. Ich hatte furchtbare Angst um mein Leben. Auf dem Weg zurück nach Wallendorf kamen wir in einen Kugelhagel. Der Bauernhof wurde schließlich von den Russen belagert. Man wollte uns alle umbringen. Ein Russe kam und wollte mich in der Nacht vergewaltigen. Zum Glück half mir die Familie Kloiber. Im Mai 1945 konnte ich endlich von meiner Mutter zurückgeholt und nach Leoben gebracht werden.
Quelle:
Jogler und Mürztaler berichten: Zeitzeugen 1938-1945 Franz F. Seidl Seite 36-37

Der Sohn von Heinrich Fischeneder sen. lebt in Mürzzuschlag (Grüne Insel) und heißt wie sein Vater. Am 1. Juli 2000 ist seine Schwester zu Gast bei ihm. Sie erzählen dem Autor von der Zeit, in der ihr Vater eigesperrt war. Aufgrund ihres Alters kann sich die Schwester an viele Begebenheiten genau erinnern.

Frau Ernestine Kupcic, geborene Fischeneder, erzählt: „Ich wurde mit 5 Jahren im Mai 1940 meiner Mut-ter weggenommen und zu Zieheltern nach Wallendorf 27 (Burgenland) gebracht. Bei der Familie Kloiber, die einen Bauernhof besaß, war ich wohl gut untergebracht, aber ich musste viel arbeiten. Ich wurde zu jeder Bauernarbeit herangezogen und musste vor allem sehr früh aufstehen. Bei den schweren Arbeiten zog ich mir ein Hüftleiden zu, an dem ich noch heute leide. – Besonders schrecklich waren die letzten Kriegsmonate im Jahre 1945. Die russischen Soldaten sorgten für viele Aufregungen und ich hatte große Angst. Wir verbrachten viele Tage im Keller. Mein Ziehvater musste schwere Misshandlungen über sich ergehen lassen. Nach den Kämpfen war der Ort zum Teil zerstört, aber am Schlimmsten für mich war der Anblick von toten Soldaten und Zivilisten. Als der Krieg aus war, wurde ich von meiner Mutter heimgeholt.“

Heinrich Fischeneder jun. ergänzt: „Für meine Mutter waren die Jahre 1940 – 1945 sehr schwierig, aber auch sie ließ sich nicht entmutigen. Sie musste sich mit mir (geb. 1939) ohne finanzielle Hilfe durchs Le-ben schlagen. Dank der Unterstützung durch Verwandte und Bekannte konnte sie die trostlose Zeit über-dauern. Wir haben später oft mit den Eltern über diese Zeit gesprochen. Man kann die Erinnerungen nicht aus den Köpfen und Herzen löschen, denn die erbrachten Opfer waren sehr groß. Meine Eltern bereuten ihre Entscheidungen nicht, aber hoffentlich wiederholt sich die Geschichte nicht!
(Mürzzuschlag, 1.7.2000)


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